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Materialkunde

Im Boot und auch außerhalb davon finden wir weitere Materialien, die wir für den Ruderbetrieb benötigen. Die nebenstehenden Abbildungen sollen die wichtigsten Begriffe zeigen.

 

(Abbildung 1-3)

Zusätzlich zur Darstellung gelten die Unterschiede zwischen dem hier dargestellten Rennboot und einem durchschnittlichen Gigboot. Weiterhin ist hier zur besseren Darstellung ein Riemenboot abgebildet, war einem Gigboot befinden sich entsprechend Ausleger an beiden Seiten des Bootes.

Das in der Darstellung gezeigt des Skull ist nur eine Variante von mehreren, es existieren neben dieser Blattform auch noch die so genannte Peitschenform und die diverse BigBlade-Formen.

Ein Riemen ist vom Aufbau her dem Skull vergleichbar.

In den folgenden Ausführungen zeigt sich die Funktion der einzelnen Bestandteile besser:

Das Trimmen von Booten

Im Rudern versteht man unter Trimmen die Einrichtung des Ruderplatzes auf die individuellen Verhältnisse des jeweiligen Ruderers / der Ruderin (insbesondere Körpergröße, -gewicht, Kondition).
Man kann ein Boot auch für bestimmte Anforderungen trimmen, z.B. für Rudern bei hohen Wellen oder Rudern mit viel Gepäck an Bord.
Eine falsche Trimmung kann das Rudern erschweren und nimmt den Spaß an diesem Sport.

 

Als Werkzeug und Hilfsmittel braucht man (Grundausstattung):

 Maulschlüssel 10, 13, 17, 19

 Verschiedene Schraubendreher

 1 kurze Wasserwaage, 1 1m-Wasserwaage, Zollstock

 1-2 Schraubzwingen und 1-2 Dachlatten

 1 Hammer, eine Kombizange

 Unterlegscheiben für M6 und M8

 

Stemmbrett und Rollschienen

Die Stemmbretteinstellung ermöglicht die Einstellung des Ruderplatzes auf die Beinlänge. Die Stemmbretter werden in Längsrichtung so eingestellt, dass die Hände im Endzug genau Richtung Schultergelenk ziehen (beim Riemen gilt dies nur für die Außenhand am Ende des Griffes). Nur so ist eine funktionale Körperhaltung und optimale Kraftentfaltung möglich.
Die Daumen sollten im Endzug gerade noch die unteren Rippenbögen berühren.

Der Stemmbrettwinkel lässt sich in Gig-Booten meist nicht verstellen. Er beträgt etwa 42°–45° Abweichung von der Waagerechten. Die Fersenhöhe lässt bei älteren Fersenkappen nicht verstellen, bei modernen Heelflex jedoch schon.
Die Fersenkappen und der Stemmbrettwinkel sollten im Übungsbetrieb so eingestellt sein, dass ein bequemes Erreichen der Auslage mit senkrechtem Unterschenkel möglich ist.

In Booten für Jugendliche und Erwachsene sollten Rollschienen etwa 80cm lang sein. Sie sind nicht waagerecht eingebaut, sondern steigen zum Bug um ca. 1,5 cm an. Die Schienen werden in der Grundeinstellung so eingerichtet, dass die Enden maximal 5 cm heckwärts und 75 cm bugwärts der Anlagefläche der Dolle stehen.

Konsequenzen beim Verstellen des Stemmbrettes und der Rollschienen:

Stemmbrett zu weit heckwärts:

 Der Zugwinkel im Endzug ist nicht optimal

 Der Oberkörper behindert den Endzug

 Das Ausheben der Blätter wird erschwert

Stemmbrett zu weit bugwärts:

 Der Zugwinkel im Endzug ist nicht optimal

 Der Auslagewinkel wird kleiner, der Ruderschlag kürzer

 

Dollenhöhe

Die Dollenhöhe ist definiert als der senkrechte Abstand der Auflagefläche des Ruders in der Dolle zum tiefsten Punkt des heckwärts gerollten Rollsitzes.

Die Dollenhöhe gewährleistet, dass das volleingetauchte Blatt in einer geradlinigen Bewegung zu den unteren Rippenbögen gezogen werden kann. Beim Vorrollen sorgt die richtig eingestellte Dollenhöhe dafür, dass die Blätter ohne Wasserkontakt in die Auslageposition geführt werden können.

 

Die Dollenhöhe ist abhängig:

1. vom Gewicht der Mannschaft

2. gegebenenfalls vom Gewicht der zusätzlichen Beladung (z.B. bei Ruderwanderfahrten)

3. vom Körperbau (Oberschenkeldicke)

4. von der Tauchtiefe des Bootes (Skiffs sind z.B. immer für bestimmte Gewichtsklassen gebaut)

5. von den Wasserverhältnissen (Wellenhöhe).

Die vielfache Abhängigkeit der Dollenhöhe von äußeren Faktoren verbietet die Angabe einer optimalen Dollenhöhe im Ruderboot.

Als Richtwert bei Booten für Jugendliche und Erwachsene gilt:

  Dollenhöhe: 16-17 cm

Konsequenzen beim Verstellen der Dollenhöhe:

Dollenhöhe zu hoch:

 Die Lage des Bootes wird instabil

 Arme und Schultern ermüden frühzeitig

 Blätter werden im Endzug zu früh aus dem Wasser gezogen

Dollenhöhe zu niedrig:

 Das senkrechte Ausheben der Blätter wird verhindert bzw. erschwert

 Das „wasserfreie“ Vorführen der Blätter im Freilauf wird verhindert bzw. erschwert

 

Messen der Dollenhöhe

Für das Messen der Dollenhöhe gibt es spezielle Messgeräte. Es geht aber auch mittels zweier Wasserwaagen und eines Zollstocks. Und zwar schnell und sehr genau.
Zunächst einmal muss das Boot in Querrichtung waagerecht gelegt werden. Hierzu legt man es offen (Kiel unten) in Gurtböcke und richtet es mittels einer kleinen Wasserwaage aus. Diese legt man senkrecht zur Längsachse über das Dollbord, die Gondelleiste oder die Rollschienen (sicherheitshalber sollte man das Ergebnis an mehreren Stellen im Boot kontrollieren). Am einfachsten arretiert man anschließend das Boot durch ein oder zwei Dachlatten o.ä., die man mittels Schraubzwingen am Ausleger in Dollennähe befestigt. Nun legt man die 2. Wasserwaage (1m lang!) in die Dolle und führt sie mit dem anderen Ende über den heckwärts positionierten Rollsitz. Mittels des Zollstocks bestimmt man die Differenz von der Unterkante der Wasserwaage bis zum tiefsten Punkt des Rollsitzes (bei Rollsitzen mit Löchern nimmt man einen Punkt direkt neben einem Loch).

 

Verstellmöglichkeiten:

Es gibt 3 Möglichkeiten, die Dollenhöhe zu verändern:

1. Lochkombination am Ausleger (selten an Gigbooten)

2. Distanzscheiben am Dollenstift

3. Unterlegscheiben zwischen Dollbord und Ausleger

Die dritte Möglichkeit hat den großen Nachteil, dass die lotrechte Ausrichtung des Dollenstiftes hierdurch verändert wird. Die Methode ist allerdings sehr wirkungsvoll, sprich: mit einigen Millimetern an Unterlegscheiben kann man die Dollenhöhe um etliche Zentimeter verändern. Gerade bei Kollisionen auf dem Wasser (z.B. bei Ruderwanderfahrten), bei denen häufig der Ausleger und seine Trimmung arg in Mitleidenschaft gezogen wird, kann man durch die 3. Methode das Boot wieder flott bekommen. Mit einer Dollenhöhe von z.B. 8 cm lässt sich einfach überhaupt nicht rudern. Da kann man dann besser den nicht senkrecht stehenden Dollenstift in Kauf nehmen. Nach Beendigung der Tour sollte man allerdings den Ausleger richten.

 

Dollenabstand

Unter Dollenabstand versteht man den horizontalen Abstand von Mitte Dollenstift zu Mitte Dollenstift im Skullboot und von der Bootsmitte zu Mitte Dollenstift im Riemenboot.

Zusätzlich sollte auch im Skullboot der Dollenabstand von der Mitte des Bootes getrennt nach Backbord und Steuerbord kontrolliert werden. Er muss in einem Boot auf allen Plätzen gleich sein. Der Dollenabstand bewegt sich im Übungsbetrieb in einem sehr engen Rahmen.

Als Richtwert bei Booten für Jugendliche und Erwachsene gilt:

  Dollenabstand im Skullboot: 156 – 160 cm

  Dollenabstand im Riemenboot: 83 - 87 cm

Es gilt: je schneller das Boot (Vierer gegenüber Einer), umso kleiner wird der Dollenabstand gewählt. Die Veränderung des Dollenabstandes verändert allerdings nicht das Übersetzungsverhältnis. Dieses stellt man an den Rudern ein. Die richtige Einstellung des Dollenabstandes gewährleistet lediglich bei unterschiedlichen Innenhebellängen (je nach Bootsklasse und Anforderung) eine optimale Handführung beim Rudern.

 

Anlage

Die Anlage bezeichnet die Abweichung des aufgedrehten Blattes von der Senkrechten. Der Normwert für die Anlage beträgt etwa 6-7°, d.h. das Blatt ist beim Durchzug mit der Blattoberkante ca. 6-7° heckwärts geneigt.

Hierzu einige kurze theoretische Hintergründe:

Wenn man ein Ruderblatt mit exakt senkrechter Stellung durch das Wasser ziehen würde, träten starke vertikale Kräfte auf. Das Blatt würde „absaufen“. Diese Kräfte vermindern verständlicherweise den Vortrieb des Bootes (den bringen lediglich die horizontalen Kräfte). Dreht man nun das Blatt mit der Oberkante heckwärts, so gibt es an genau einer Stelle den Punkt, wo die vertikalen Kräfte im Durchzug gleich „0“ sind. Dieser Punkt hängt insbesondere von der Blattform und der Dollenhöhe ab. Er liegt etwa bei 6-7°. Dieser Winkel heißt Anlagewinkel. Dreht man das Blatt weiter heckwärts, treten wiederum vertikale Kräfte auf, die dazu führen, dass das Blatt „auswäscht“, d.h. aus dem Wasser kommt.

Die gleiche Anlage sorgt dafür, dass die Blätter in der Freilaufphase bei Wasserkontakt nicht unterschneiden (die Bugseite liegt höher als die Heckseite).

Die Anlage setzt sich zusammen aus 2 Teilwinkeln von jeweils ca. 4° an der Dolle und 4° an der Manschette der Ruder (Riemen bzw. Skulls). Die beiden Winkel addieren sich nicht zu 8°, da die Ruder nicht waagerecht in der Dolle liegen. Je schräger das Ruder in der Dolle liegt, desto geringer wird der resultierende Anlagewinkel am Blatt.

Es gibt eine Möglichkeit, die Anlage direkt am Blatt (mit eingelegtem Ruder) zu messen, aber davon möchte ich abraten. Da die Ruder hierzu in einem exakten Winkel schräg in der Dolle gehalten werden müssen, führt diese Methode im allgemeinen zu sehr schlecht reproduzierbaren Werten.

Viel leichter geht es, wenn man die Anlagen zunächst an den Rudern misst:

Hierzu gibt es ein spezielles Anlagemessgerät:

Man legt 1 Ruder mit der gewölbten Seite nach oben mit der Blattaussenkante auf eine

gerade Leiste und misst den Winkel zwischen der Leiste und dem Winkel an der Manschette in der Nähe des Klemmrings. Er wird werkseitig etwa mit 4° gebaut.

Selbstverständlich müssen die Winkel bei Steuerbord- und Backbord-Rudern gegenläufig sein. Die gemessene Gradzahl kann man auf die Manschette des Ruders schreiben.

 

Messen der Anlage am Skull

Danach misst man den Winkel an der Anlagefläche der Dolle (siehe Abbildung 2-13). Hierzu muss das Boot in Querrichtung waagerecht liegen. Es muss nicht in Längsrichtung waagerecht liegen; am Anlagemessgerät kann man die Libelle zusätzlich einstellen. Zunächst sucht man sich eine waagerechte Stelle im Boot (waagerecht, wenn es im Wasser läge). Die sicherste Stelle ist der Kiel in der Mitte des Bootes. Den senkrecht stehenden Teil des Anlagemessgerätes legt man nun in der Dolle an, verschiebt die Winkelskala, bis die Libelle die Waage anzeigt. Der abzulesende Winkel

entspricht der Anlage an der Dolle.

 

Messen der Anlage an der Dolle

Sollte ein Ruder eine von 4° abweichende Anlage besitzen, so sollte das an der Dolle

korrigiert werden. Hierzu gibt es für verschiedene Dollentypen momentan mehrere Möglichkeiten:

1. Dollenstift mit Gelenk: lösen, einjustieren, festschrauben

2. Exzenterdolle: Exzenter lösen, einjustieren, festschrauben

3. Wechselkeildolle: Keil lösen, gegen einen anderen austauschen, festschrauben

An den Rudern ist das Ändern der Anlage aufwendiger, da hierzu die Manschette abgelöst werden muss.

 

Abschließend seien nochmals die Auswirkungen einer falschen Anlage erwähnt:

Zu kleiner Anlagewinkel: Entweder das Blatt säuft ab, oder (bei richtiger Handführung) wird das Boot leicht nach oben aus dem Wasser gehoben.

Zu großer Anlagewinkel: Entweder das Blatt wäscht aus (rutscht aus dem Wasser), oder (bei richtiger Handführung) wird das Boot leicht nach unten in das Wasser gedrückt.
Ganz entscheidend ist, dass die Anlage auf Backbord und Steuerbord übereinstimmt.

 

Innenhebel zu Außenhebel

Bis vor einigen Jahren hatten Skulls und Riemen eine fixe Länge. Heutige Ruder können

zumindest im Wettkampfbereich in ihrer Länge verstellt werden, im Wanderruderbereich ist es nicht üblich.

Die üblichen Längen liegen für Jugendliche und Erwachsene bei:

Maconblatt: Skulls: 295 – 302 cm Riemen: 378 – 386 cm

Big-Blade: Skulls: 287 – 293 cm Riemen: 370 – 378 cm

Durch Verschieben des Klemmrings kann man das Verhältnis vom Innenhebel zum Außenhebel verändern. Man bezeichnet das als das Übersetzungsverhältnis:

Je länger der Außenhebel ist, desto höher ist bei gleicher Durchzugsgeschwindigkeit der Druck. Das heißt: Den Druck leichter (härter) stellen bedeutet, den Innenhebel (den kann man leichter messen, da kürzer als 2 m) verlängern (verkürzen).

Die Standard-Innenhebellängen sind bei Maconblatt und Big-Blade etwa identisch. Sie liegen beim:

- Skullen bei ca. 87 cm (Einer) – 85 cm (Doppelvierer)

- Riemen bei ca. 117 cm (Zweier-ohne) – 113 cm (Achter)

Wenn man das Übersetzungsverhältnis ändert, z.B. den Druck bei starkem Gegenwind leichter stellt, sollte man, wenn technisch möglich, den Dollenabstand nachkorrigieren:

Skullboot: Dollenabstand = (Innenhebellänge – 7 cm) x 2

Riemenboot: Dollenabstand = Innenhebellänge – 30 cm

Beispiel: Wenn man in einem Skullboot den Innenhebel um 2 cm vergrößert (den Druck leichter stellt), sollte man den Dollenabstand um 4 cm vergrößern.